Was bedeutete es, sichtbar zu sein? Und ist jede Sichtbarkeit auch eine gute Sichtbarkeit?
Sichtbarkeit ist wichtig für queere Menschen. Denn Sichtbarkeit bedeutet auch, als Gruppe anerkannt zu werden. Es bedeutet, sich als Individuum gesehen zu fühlen. Es bedeutete Bestätigung und Anerkennung in einer Gesellschaft, die aus binären Kategorien aufgebaut ist. Als bisexuelle Menschen sind wir nicht monosexuell, wir sind weder hetero noch homo. Wir sind bi, finden mehr als ein Gender attraktiv und beschränken uns nicht auf eine binäre Genderordnung, sondern lieben darüber hinaus. Aber gerade das fordert die binäre Genderordnung, mit der wir ständig konfrontiert sind, und in der die meisten Menschen leben, heraus.
Wenn wir (weiblich gelesene Person) die Straße mir einer weiblich gelesenen Person hinab gehen, dann werden wir als lesbisch gelesen, und sind unsichtbar. Wenn wir die Straße mit einer männlich gelesenen Person hinab gehen, dann werden wir als hetero gelesen, und sind unsichtbar. Wenn wir die Straße mit beiden entlang gehen, fühlen wir uns sichtbar. Aber sind wir das auch ?
Geglaubt wird nur, was gesehen wird. Sichtbarkeit ist ein komplexer Zusammenhang aus Sehen, Glauben, Erkenntnis und Wirklichkeit. Es ist das Ergebnis eines Zu-Sehen-Gebens, eines Sehens und eines Gesehen-Werdens. Nur weil etwas gesehen wird, heißt das nicht, dass es auch verstanden wird. Gerade weil die Gesellschaft so binär denkt, wird die oben beschriebene Person vielleicht ganz anders eingruppiert, als sie denkt. Die weiblich gelesene Person wird als beste Freundin gesehen, die männlich gelesene als der Partner. Oder anders herum.
Also ist die Frage, was können wir tun, um uns auf genau die Weise sichtbar zu machen, die wir gut finden? Damit kein Hetero-Filter unsere komplexe queere Identität verschleiert?
Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, schwingen doch in der Frage viele Bilder und Stereotype mit, mit denen bisexuelle Menschen belegt werden. Bisexuelle seien moralisch schlecht, oder schlicht verwirrt. Sie seien zu queer für die hetero Gesellschaft und zu wenig queer für die Queere Community. Sie seien nicht bereit ihr heterosexuelles Privileg aufzugeben, und könnten nicht treu sein. Das alles sind negative Stereotype, die eine positive Sichtbarkeit verhindern. Sie verhindern, dass wir von Freunden, Bekannten als Bi gelesen werden. Denn die haben uns vielleicht mit den Stereotypen entgegenlaufenden Eigenschaften kennengelernt und belegt. Wir sind zuverlässig, wissen was wir wollen. Das läuft den Stereotypen entgegen.
Und so bleibt die Frage: Wie erzeugen wir ein neues bisexuelles Subjekt? Eines, dessen Stereotype sich zumindest zu einem großen Teil auf Privilegien sowie auf positiven und neutralen Eigenschaften aufbaut, ohne uns unsere eigenen Schwächen abzusprechen. Einen bisexuellen Phänotypen mit dem wir uns identifizieren können, und wollen. Die Frage beschäftigte uns dann gestern Abend noch eine Weile, und die Antwort muss sich wohl erst noch finden.